Jannik Sinner verteidigt Australian Open-Titel

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Der Tumult um die Lösung des Dopingfalls von Jannik Sinner mit einer „komfortablen“ dreimonatigen Sperre – während der die aktuelle Nummer eins der Welt kein einziges Grand-Slam-Turnier verpassen wird – war vorhersehbar. Wie könnte es auch anders sein, wenn die Verhandlung von der paradoxen Frage geleitet wurde: „Welche angemessene Strafe gibt es für jemanden, der nichts falsch gemacht hat?“

Skeptiker werden dieser Darstellung widersprechen, wie es auch der ATP-Kollege Stan Wawrinka in einem Tweet mit nur acht Worten tat. Sein Satz "Ich glaube nicht mehr an einen sauberen Sport" sorgte in der Tenniswelt für Aufsehen.

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Nichtsdestotrotz – das Ergebnis ist fair – vor allem in Anbetracht der aktuellen Regeln und Protokolle zur Dopingbekämpung. Denn zwei Fakten sind seit Beginn des Verfahrens im März 2024, als Sinner erstmals positiv auf die verbotene Substanz Clostebol getestet wurde, unumstritten: Die Behörden sind in ihrem Urteil treu geblieben, dass Sinner „keine Schuld oder Fahrlässigkeit“ für das Eindringen des Dopingmittels in seinen Körper trug. Außerdem war die Menge an Clostebol in seinem Körper so gering, dass sie ihm keinen Wettbewerbsvorteil verschaffte.

Der Journalist Jon Wertheim, Co-Moderator des Andy Roddick-Podcasts Served, beschrieb die Menge an Clostebol, die bei Sinner gefunden wurde, als vergleichbar mit „einem Sandkorn in einem Swimmingpool.“

Wenn überhaupt, war sie noch kleiner.

Die Behörden blieben bei ihrem Urteil, dass Sinner „keine Schuld oder Fahrlässigkeit“ daran trug, dass die Substanz in seinen Körper gelangte.

Die Behörden blieben bei ihrem Urteil, dass Sinner „keine Schuld oder Fahrlässigkeit“ daran trug, dass die Substanz in seinen Körper gelangte.

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Bevor es weitergeht, gibt es jedoch einen Vorbehalt: Ohne das sprichwörtliche todsichere Beweismittel – oder eine 24/7-Überwachung der Spieler, eine ebenso verwerfliche wie unpraktische Option – ist es so gut wie unmöglich zu beweisen, dass jemand, der positiv getestet wurde, absichtlich betrogen hat. Die Grauzone, die dadurch entsteht, ist eine zwangsläufige Schwäche und hat die Dopingkontrolle zu einer Aufgabe gemacht, die von dem Konzept der „plausiblen Bestreitbarkeit“ beherrscht wird.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Affäre ist, dass die WADA ihre eigene Leistung möglicherweise überschätzt. Sie verfügt zwar über ein ausgeklügeltes, kostspieliges und wissenschaftlich fundiertes Konzept für die Dopingbekämpfung, doch die Fähigkeit, Urteile über die Absicht (oder das Fehlen einer solchen) abzugeben, ist schwierig bis unmöglich.

Das Fehlen von Beweisen für Betrug bedeutet sicherlich nicht, dass es keinen gab. Und jeder weiß, dass es unmöglich ist, ein Nichtvorliegen zu beweisen. Aber genauso wichtig ist, dass das Fehlen von Beweisen nicht bedeutet, dass es eine erfolgreiche Vertuschung gegeben hat, außer für die verrücktesten Verschwörungstheoretiker.

Klar, Sinner wird kein Grand Slam-Turnier verpassen. Aber er wird bei vier der neun prestigeträchtigen (und lukrativen) Masters-1000-Turniere des Jahres fehlen, ebenso wie bei mindestens zwei ATP-500-Turnieren.

Klar, Sinner wird kein Grand Slam-Turnier verpassen. Aber er wird bei vier der neun prestigeträchtigen (und lukrativen) Masters-1000-Turniere des Jahres fehlen, ebenso wie bei mindestens zwei ATP-500-Turnieren.

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Es hat den Anschein, dass in diesem Verfahren alles nach Vorschrift abgelaufen ist. Die Regeln und Protokolle der WADA (Welt-Anti-Doping-Agentur) und des CAS (Gerichtshof für Sport/ "Court of Arbitration for Sport") wurden befolgt. Das Auftreten eines Verstoßes erfordert, dass die Bürokratie entsprechend den festgelegten Leitlinien handelt. Die Lösung des Falles Sinner war das nächstbeste, was die Behörden tun konnten, um tatsächlich zu reagieren.

In seinem Podcast verglich Roddick Sinners Suspendierung, die – Überraschung, Überraschung – gerade rechtzeitig endet, damit Sinner bei den Italian Open in Rom spielen kann, mit einem College-Schüler, der am ersten Tag der Frühlingsferien von der Schule suspendiert wird. Sinner wird also kein einziges Grand-Slam-Turnier verpassen und könnte sogar einen Kalender-Slam im Jahr 2025 gewinnen. Wie wäre es denn damit?

Jedoch bedeutet die Suspendierung auch, dass Sinner vier der neun prestigeträchtigen (und lukrativen) Masters-1000-Turniere des Jahres sowie mindestens zwei ATP-500-Events verpassen wird. Alles in allem wird sein Ranking um 1.600 Punkte fallen, sodass der ATP-Thron entweder für Carlos Alcaraz oder Alexander Zverev zu haben sein wird – obwohl beide extrem gut spielen müssten, um den Champ zu stürzen.

Die Anti-Doping-Maßnahmen im Tennis sind ein komplexes Durcheinander.

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Das Problem des „Zweiklassensystems“ im Tennis, in dem Stars eindeutig bevorzugt behandelt werden und mehr Mittel aufbringen können, um sich aus Schwierigkeiten herauszuklagen oder zu verhandeln, ist zu kompliziert, um es hier zu erörtern. Aber ich kann mich des Eindrucks nicht verwehren, dass, wenn Wawrinka mit der WADA in Konflikt geraten wäre, obwohl er auf seine Unschuld beharrt, auch er das beste Verteidigungsteam engagieren würde. Würden das nicht jeder tun?

Die Anti-Doping-Maßnahmen im Tennis sind ein komplexes Durcheinander, nicht zuletzt, weil Doping-Bürokraten und selbstschützende Tour-Verwalter an der Idee festhalten, dass es unterschiedliche Grade von Schuld gibt, wenn ein Verstoß auftritt. Einige würden sicherlich einen strengeren Ansatz bevorzugen, bei dem positive Testergebnisse automatisch zu einer Suspendierung führen – und damit eine viel höhere Hürde für eine Reduzierung oder Aufhebung der Suspendierung darstellen.

Der klassische „strenge Richter“ kann eine ansprechende Figur sein – bis man selbst derjenige ist, der verurteilt wird.