Erfolgreiche Titelverteidigung: Auch 2024 holte Italien die Trophäe bei den Davis Cup Finals.

„Warum bin ich eigentlich hier?“, fragte sich Matteo Berrettini noch vor genau einem Jahr, als er seine Mannschaft bei den Finals in Málaga unterstützte. Verletzungsbedingt war er lange Zeit zu einer Pause gezwungen und deshalb nicht im Aufgebot des italienischen Teams bei den Finals dabei. Dennoch wollte er es sich nicht entgehen lassen, seine Kameraden anzufeuern. „Ich war nicht zu 100 Prozent Teil des Teams, weil ich nicht spielen konnte“, erklärt er heute, knapp zwölf Monate später.

Berrettinis Antrieb auf dem Weg zurück in die Weltspitze

Nachdem seine Mitspieler Jannik Sinner, Lorenzo Musetti & Co. dann 2023 mit einem Sieg über Australien die Trophäe in die Luft hielten, waren auch Berrettinis Zweifel beseitigt. „Nach der Woche habe ich gemerkt, wie wichtig es für mich war, gekommen zu sein und sie zu unterstützen. Ich habe mich so für sie gefreut, aber auch für mich. Aus diesen Matches konnte ich so viel Energie ziehen“, erklärt er. Am Ende war es also die Motivation, die die Enttäuschung überwog. „Ich dachte mir: Nächstes Jahr wirst du hier sein und für Italien kämpfen. Ich habe das als Antrieb für meine Trainingseinheiten gesehen und alles das, was hinterher passiert ist.“

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Vom eifrigen Unterstützer neben dem Platz 2023 entwickelte sich Matteo Berrettini in den vergangenen 12 Monaten wieder zu einem der Hauptakteure im italienischen Davis Cup Team.

Vom eifrigen Unterstützer neben dem Platz 2023 entwickelte sich Matteo Berrettini in den vergangenen 12 Monaten wieder zu einem der Hauptakteure im italienischen Davis Cup Team.

Nach einer langen Durststrecke kämpfte sich der 28-Jährige im Laufe der Saison 2024 wieder zurück. Er gewann drei ATP Titel, erreichte ein weiteres Finale und zählt heute nicht nur wieder zu den Top 40 der Weltrangliste, sondern auch zum Aufgebot der italienischen Davis Cup Mannschaft.

Italiens Reise ins Davis Cup Finale

Gemeinsam mit dem Weltranglisten-Ersten Jannik Sinner, Lorenzo Musetti, Andrea Vavassori, Simone Bolelli und Kapitän Filippo Volandri startete Berrettini 2024 die Mission „Titelverteidigung“ in Málaga. Die ersten Gegner im Viertelfinale: Argentinien mit Sebastian Baez und Francisco Cerundolo. Hier ging im Einzel neben Sinner noch Musetti an den Start. Nachdem es nach den ersten zwei Partien 1:1 stand, entschied also das Doppel. Eigentlich war der Plan, dass die beiden Doppelexperten Andrea Vavassori und Simone Bolelli gegen Maximo Gonzalez und Andres Molteni antreten würden, doch es kam anders. Kapitän Volandri stellte nämlich um, sodass Berrettini und Sinner das entscheidende Doppel bestritten – mit Erfolg! Sie besiegten die Argentinier mit 6:4, 7:5 und zogen so mit einem 2:1-Sieg ins Halbfinale gegen Australien ein.

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Dass die beiden Doppelexperten nicht zum Einsatz kamen und auch im Verlauf des Turniers nicht mehr spielen würden, störte sie nicht. „Mit einem Team wie diesem ist es okay“, sagte Bolelli. „Natürlich wollen wir spielen, wir sind bereit, aber mit Jannik in diesem Zustand, die Nummer eins der Welt, und Berrettini, der unglaublich diese Woche war, ist das normal. Wir akzeptieren das.“

Sowohl gegen Australien im Halbfinale sowie gegen die Niederlande im Endspiel vertraute Teamchef Volandri dann auf Sinner und Berrettini im Einzel. An seine erfolgreiche Saison mit nur sechs Niederlagen und 73 Siegen, zwei Grand Slam Titeln sowie sechs weiteren Turniersiegen und über 19 Wochen auf Platz eins der Weltrangliste knüpfte Sinner dann auch in den Davis Cup Finals an. Er gewann seine drei Einzel deutlich, gab keinen Satz ab, trat ruhig, bodenständig und gewohnt souverän auf.

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Natürlich ist es schön, zu gewinnen, aber zu spielen, gesund zu sein und diese Atmosphäre genießen zu können, ist das Wichtigste für mich. Ich habe das vermisst.

Deutlich emotionaler waren hingegen die Partien von Berrettini. Im Halbfinale bekam er es mit Thanasi Kokkinakis zu tun, der im Viertelfinale noch gegen Ben Shelton gewonnen hatte. Nach einem verlorenen ersten Satz kämpfte Berrettini sich mit seinen Waffen wie dem hammerharten Aufschlag sowie der Power-Vorhand zurück ins Match und entschied die Partie letztendlich mit 6:7, 6:3, 7:5 für sich. Für Berrettini war vermutlich genau der Moment, in dem er den ersten Punkt für sein Team im Einzel holte, derjenige, als er realisierte, dass er wieder auf seinem alten Level angekommen ist. „Ich glaube, ich habe heute eines meiner besten Matches gespielt“, sagte er im Anschluss an den Sieg.

Umso gefestigter trat der 28-Jährige dann im Finale gegen Botic van de Zandschulp aus den Niederlanden auf. Ein deutlicher 6:4, 6:2-Sieg brachte Berrettini und Team Italien in Führung. Nach dem verwandelten Matchball ließ er seinen Gefühlen freien Lauf. Mit lauten Jubelschreien unterstrich er seine Freude über den dritten Punkt, den er für sein Team in Málaga einfahren konnte. „Es fühlt sich unglaublich an. Es ist einfach toll, wieder auf dem Platz zu stehen. Natürlich ist es schön, zu gewinnen, aber zu spielen, gesund zu sein und diese Atmosphäre genießen zu können, ist das Wichtigste für mich. Ich habe das vermisst.“

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Emotionaler Erfolg: Nach einer schwierigen Zeit hat sich Matteo Berrettini wieder in der Weltspitze etabliert und genießt die Zeit auf dem Court.

Emotionaler Erfolg: Nach einer schwierigen Zeit hat sich Matteo Berrettini wieder in der Weltspitze etabliert und genießt die Zeit auf dem Court.

Sie spielen, feiern und leiden zusammen

Knapp eineinhalb Stunden später zog Jannik Sinner dann nach und besiegelte mit einem 7:6, 6:2-Sieg über Tallon Griekspoor den dritten Davis Cup Sieg Italiens. Nach zahlreichen Umarmungen widmete sich das italienische Team den Fernsehinterviews. Was gleich auffiel: Vor allem Matteo Berrettini stand im Mittelpunkt. Sinner, Musetti, Volandri & Co. schienen mit dem ehemaligen Top-Ten-Spieler in seiner schweren Zeit gelitten zu haben. Umso mehr freuten sie sich nun, wie sie selbst betonen, dass der 28-Jährige sich wieder zurückgekämpft hat.

„Letztes Jahr war Matteo nicht als Spieler dabei, aber er hat uns vor Ort unterstützt, was uns sehr viel Kraft gegeben hat“, erinnert sich Sinner. „Diesen Moment jetzt mit ihm, Lorenzo, Simone und Andrea teilen zu können, bedeutet mir sehr viel.“

Genau diese Worte wiederholen sich später auch bei den anderen Teammitgliedern. Man merkt schnell: Die Dankbarkeit, der gegenseitige Respekt und die Unterstützung überwiegt alles in der italienischen Mannschaft. Vielleicht war genau das das Geheimrezept, das Italien dazu verholfen hat, den Davis Cup Titel zu verteidigen.

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Doppelter Triumph in Málaga: Italien im Tennisboom

Nachdem nur wenige Tage zuvor auch die italienischen Damen die Billie Jean King Cup Trophäe gewonnen hatten, kann man also von einem italienischen Erfolgsjahr im Tennis sprechen. Nicht nur Sinner überzeugte auf weiter Strecke, auch Jasmine Paolini brachte zahlreiche Erfolge für ihre Nation ein, genau wie Musetti, Errani, Berrettini und die beiden Doppelspieler Vavassori und Bolelli. Mittlerweile sind es 17 Damen und Herren aus Italien, die im Einzel oder Doppel unter den Top 100 der Weltrangliste stehen.

Um zu erklären, woher dieser Boom in Italien kommt, fehlt Kapitän Volandri die Zeit. „Aber ich glaube, alles läuft in die richtige Richtung. Wir haben tolle Spielerinnen und Spieler, die gleichzeitig auch tolle Persönlichkeiten sind“, sagt er. „Der Verband hat in diesem Jahr auf unglaubliche Weise gearbeitet, und wir nehmen den ganzen Erfolg mit. Aber es geht um viele Dinge, vor allem um diese unglaublichen Leute. Ich bin sehr stolz auf sie.“

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Er hat bewiesen, dass er der beste Spieler der Welt ist und wie man sehen kann, ist er gleichzeitig der bescheidenste Typ auf dem Planeten.

Was genau Volandri damit meint, erklärt Berrettini an dem Beispiel Jannik Sinner: „Schon letztes Jahr haben wir uns gegenseitig in die Augen geschaut und gesehen, dass Jannik einfach etwas anderes ist. Jeder hat gesagt, dass er noch nie jemanden gesehen hat, der den Ball so hart, so flach und so häufig ins Feld spielt. Es sah aus, als würde er nie Fehler machen“, so der 28-Jährige. „Er hat bewiesen, dass er der beste Spieler der Welt ist und wie man sehen kann, ist er gleichzeitig der bescheidenste Typ auf dem Planeten. Er kam hier her, als hätte er nie die ATP Finals gewonnen, als hätte er nicht gewonnen, was er alles gewonnen hat. Er zeigte so viel Respekt für das Team.“

Dann erinnert sich Berrettini auch an den Moment, in dem entschieden wurde, dass er gemeinsam mit Sinner das Doppel im Viertelfinale bestreiten soll und nicht Bolelli/Vavassori. „Bevor wir den Platz betreten haben, hat er mit jedem abgeklärt, dass die Entscheidung wirklich in Ordnung ist. Das ist besonders und das hat man im Herzen. Natürlich ist sein Tennis beeindruckend, aber die Art und Weise, wie er alles neben dem Platz handhabt, macht ihn besonders. […] Das ist der Grund, weshalb wir jetzt zwei dieser Trophäen haben.“

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Jannik Sinner und Kapitän Filippo Volandri feiern den Sieg der Nummer eins der Welt über Tallon Griekspoor.

Jannik Sinner und Kapitän Filippo Volandri feiern den Sieg der Nummer eins der Welt über Tallon Griekspoor.

Davis Cup: Der Teamgeist entscheidet

Diese Geschichte unterstreicht aber nicht nur die Persönlichkeiten der Spieler, sondern gleichzeitig den gegenseitigen Respekt, die Anerkennung und die Bewunderung, die sie füreinander hegen. Und auch wenn sie mit der Nummer eins der Welt und einem Top-Ten-Doppel zu den stärksten Davis Cup Teams auf dem Papier zählen, so war es vermutlich ihr Teamgeist, der sie zum insgesamt dritten Davis Cup Titel getragen hat.

Genau das bestätigte letztendlich auch Ex-Profi und Tennis Channel Kommentatorin Barbara Rittner: „Der Teamgeist entscheidet.“

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